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Große Lyrik ist immer das Aufreißen eines Vorhangs, das Fortblasen von Vernebelungen, das Ausgraben einer verschütteten oder verdrängten Wahrheit. Plötzlich werden einem die Augen aufgetan; Augen, von denen man vorher gar nicht gewusst hatte, dass sie geschlossen, ja blind gewesen sind. Andrej Peters gelingt dieses Auf-Tun meisterhaft. Pars pro toto seien hier nur zwei Zeilen aus seinem Vietnam-Gedicht aufgeführt. ›Ein Land in dem Reichtum und Armut / Von den Händen abhängen‹ liest man da – ein scheinbar so simpler Satz, dass ich schon drei Zeilen weiter war, bevor mich sein Inhalt mit voller Wucht traf. Dann aber tat sich ein ganzes Kaleidoskop von Bedeutungen, Bezügen und Rückbezügen auf, und ich fand mich plötzlich in Gedanken über ökonomische Entwicklungen, soziale Gefälle und technischen Fortschritt, vor allem aber wurde mir klar, wie viel wir als selbstverständlich hinnehmen, das mitnichten selbstverständlich ist – und schon gar nicht für alle Zeit festgeschrieben … Diese Fähigkeit, zu fokussieren, die unterschiedlichsten, aber miteinander verwobenen Problemfelder mithilfe des poetisch-ästhetischen Zugriffs zu bündeln und ihren Zusammenhang vorzuzeigen – das ist die überragende Stärke von Andrej Peters. Man könnte nun aufgrund seiner Biographie vermuten, er befinde sich inter esse, zwischen den Stühlen also, und könne eben deshalb alles aus demselben Abstand mustern. Weit gefehlt! Denn der berühmte ›Fremde Blick‹ ist ihm überhaupt nicht zu eigen, dazu ist Peters – bei aller Koppelung ans Transzendente – viel zu erd- und menschenverbunden. Es ist vielmehr ein fremdelnder Blick; fremdelnd nicht mit einer Kultur oder Ethnie, sondern mit der Welt wie sie ist. Alle Zeilen dieser Gedichte atmen ein verstörtes Erstaunen über Ungerechtigkeit, Leid, Dummheit, Ignoranz, Unrecht, Mangel an Nächstenliebe; atmen das so intensiv, dass auch wir, die Leser, verstört und erstaunt darüber sind, was wir mit und aus dieser Welt gemacht haben. Mehr kann man von Literatur nicht verlangen. (Hans-Joachim Griebe)
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