Herrenleben

Das Schreiben von Erzählungen dürfte eines der letzten Abenteuer in unserer vermeintlich restlos erforschten, allem Anschein nach von jedweden größeren Überraschungen freien Welt sein. Das ist keine klug ausgedachte, verkaufsfördernde Übertreibung, sondern beruht auf hundertfach Erfahrenem und Erlittenem. Denn: Fängt man eine Erzählung an, weiß man nie, wie das Unternehmen ausgeht. Weitet sich die Sache zu einem kleinen, ewig keine Ruhe gebenden Roman aus oder ist nach zwei, drei Seiten schon auf Knall und Fall Schluss? Findet sich – ein anderer denkbarer Fall – überhaupt irgendwann ein Ende oder wartet das Manuskript noch Jahrzehnte darauf, zu einem halbwegs vernünftigen Schluss zu kommen? Das sind nur einige der einfacheren Fragen, die sich gegebenenfalls stellen. Aus sicher geglaubten Hauptfiguren können weiterhin im Laufe der Zeit bedauernswerte Nebengeschöpfe werden und umgekehrt. Aus einer ursprünglich ganz der Beschreibung einer Liebe gewidmeten Erzählung kann etwas werden, das sich unheilbar in die Schilderung einer faden Büro-Intrige oder eines mit Not und Elend großen Stils verbundenen Millionenbetrugs verstrickt. Eine Stück für Stück sauber entworfene und danach auch akribisch ausgeführte Handlung kann von einer Sekunde zur anderen ohne einsehbaren Grund jeglichen Halt verlieren, in der Folge ins Bodenlose abstürzen und es heißt dann, noch einmal ganz von vorn anzufangen. Das wenige Vorgebrachte, es ließe sich noch weit mehr anführen, ist als gutgemeinte Warnung für Schreiberinnen und Schreiber von Erzählungen gedacht. Der Leser – auch des hier vorliegenden neuen Bandes von Volker Müller – hat es besser: Er bekommt es mit halbwegs fertigen Produkten zu tun, kann aus- und einsteigen, wie er will, und notfalls dies und jenes, und sei es ein guter, versöhnlicher Schlussakkord, zum persönlichen Gebrauch hinzufabulieren …